Presse &… Presse 15.04.2025 So berät das…

So berät das Kreiskrankenhaus Bergstraße zu Diabetes

Aktuelles und Pressemitteilungen | 15.04.2025

(Hier den ganzen Artikel kostenlos auf echo-online.de lesen)

Heppenheim. Rund zehn Millionen Deutsche leiden an Diabetes, einer Stoffwechselerkrankung, die auf Insulinresistenz oder Insulinmangel beruht und mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel einhergeht. Deshalb aber von einer „Volkskrankheit“ zu sprechen, gefällt Andreas Kolb nicht. Er ist Diabetesberater am Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim (KKB): „Es ist eine Zivilisationserkrankung, die weltweit ein Problem darstellt.“ Und Dr. med. Uwe Seitz, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I, geht sogar noch weiter: „Es ist eigentlich gar keine Erkrankung, sondern ein Risikofaktor für viele Dinge, die keiner haben will.“

Es werden vier Typen von Diabetes unterschieden. Typ II, der früher als „Altersdiabetes“ bezeichnet wurde, ist der, der den beiden die meisten Sorgen bereitet. „Der jüngste Patient mit Typ II ist erst fünf Jahre alt“, sagt Kolb. Typ I ist eine Autoimmunerkrankung, Typ III tritt nach Krebserkrankungen oder Unfällen auf und Typ IV wird als Schwangerschaftsdiabetes bezeichnet. „Die Frauen haben dabei den hohen Risikofaktor schon mitgebracht, der dann in der Schwangerschaft entdeckt wird. Das ist danach aber nicht vergessen, denn die Ursache besteht weiter“, sagt Seitz.

Zu Typ II trägt vor allem der Lifestyle bei: Übergewicht und Bewegungsmangel. „Man kann an Typ II aber auch ohne Übergewicht leiden, etwa wenn in der Familie bereits Diabetes vorkam. Diese Leute sollten schon mal aufpassen“, erläutert Kolb. Er berät am Kreiskrankenhaus abteilungsübergreifend stationäre Patienten mit Diabetes. Auf rund 20 Beratungen am Tag kommt er.

 

Die Frage lautet: „Will ich mit 75 ein Wrack oder fit sein?“ (Dr. med Uwe Seitz, Chefarzt Abteilung Innere Medizin I am Kreiskrankenhaus Bergstraße)

 

Und auch wenn kein Diabetesrisiko bestehe, gelte, wer Gewicht und Bewegung im Griff habe, könne „mehr gesunde Lebensjahre erwarten“, wie Seitz es ausdrückt „Die Frage lautet: ,Will ich mit 75 ein Wrack oder fit sein?’“ Denn auch Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen hängen mit Gewicht und Bewegung zusammen.

Dass inzwischen auch Jugendliche am Typ II leiden, liege laut Kolb an einem veränderten Medienkonsum der mit weniger Bewegung einhergehe. Und an der allgegenwärtigen Werbung für Süßkram. „Die jetzige Elterngeneration ist schon so aufgewachsen. Wenn sie es nicht gelernt haben, wie sollen es ihre Kinder lernen?“, meint Kolb. Auch Seitz plädiert für mehr Bewegung: Jeden Tag eine Stunde Sport in der Schule etwa. „Und ein gemeinsames Frühstück, das von Ernährungsspezialisten zusammengestellt wird.“

Diabetes Typ I: bei Jugendlichen oft unerwartet

Diabetes Typ I hingegen bezeichnet der Chefarzt als „schicksalshaft“: „Das Immunsystem bildet dabei Antikörper gegen die insulinbildenden Zellen. Nach der Geburt lässt sich das gentechnisch feststellen.“ Wenn man weiß, dass dieses Risiko besteht, lasse sich die Krankheit mit Medikamenten hinauszögern, aber nicht verhindern: „Diese Patienten werden irgendwann insulinpflichtig.“ 400.000 Menschen leiden in Deutschland an Typ I, die meisten trifft es schon unter 20 Jahren. „Das bedeutet aber nicht, dass man es nicht auch mit 90 noch bekommen kann“, sagt Kolb. Junge Menschen kämen indes oft besser mit Diabetes zurecht: „Es ist ein bisschen, wie ein Musikinstrument zu erlernen. Es gehört dann zu meinem Leben“, schildert Seitz.

Bei Typ II sind hingegen die Insulinrezeptoren krank: Der Körper produziert immer mehr Insulin, um dagegen anzugehen. „Die Insulin-Produktion bricht irgendwann zusammen. Die Bauchspeicheldrüse erleidet einen Burnout“, erklärt Kolb. Was dann getan werden muss, ist von Patient zu Patient unterschiedlich, der regelmäßige Stich in den Finger zur Blutzuckermessung ist inzwischen aber obsolet: Sensoren, die am Arm getragen werden, können Messungen an eine App übertragen. Bei Typ I kann der Sensor mit einer Insulinpumpe gekoppelt werden, lernfähige Algorithmen kennen den Lebensstil des Patienten.

Diabetes Typ II: Lebensstil entscheidend

Bei Typ II steht das Verhalten im Zentrum: „Man muss sich fragen: ,Was esse ich? Was tue ich?’ Und: ,Will ich meinen Lebensstil ändern?’ Unser Job ist es, die Leute zu motivieren“, erläutert Kolb. Die Folgeerkrankungen wie Nerven- oder Gefäßschäden seien bei jedem anders. Ernährungsumstellung, Bewegungsoptimierung würden bereits helfen, es gebe moderne Medikamente in Tablettenform zur Stoffwechseloptimierung und letztlich auch die als „Abnehmspritzen“ bekannt gewordenen Injektionen. „Die sind eigentlich Diabetesmedikamente, die das Hungergefühl verhindern“, erklärt Seitz.

Und auch wenn Insulin gegeben werden muss, bedeute das nicht, dass es immer so bleiben müsse: „Monatliche Gemüsetage, bei denen für 48 Stunden auf Kohlenhydrate verzichtet wird, können schon etwas bewirken.“ So werde der Körper ohne Medikamente wieder sensibel.

Von Thomas Riedel

Der Artikel erschien zuerst im Echo.

© © Dagmar Jährling