Dieser Job ist soviel mehr als Pflege!
Aktuelles und Pressemitteilungen | 17.05.2021
„Dieser Job ist so viel mehr als pflegen": Pflegerin Melanie Zinkgräf im Interview
Melanie Zinkgräf ist Gesundheits – und Krankenpflegerin im Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim. 2005 machte sie im Haus ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seit vielen Jahren ist sie auf der gastroenterologischen Station tätig und betreut seit dem Beginn der Pandemie Corona-PatientInnen. Zum heutigen Internationalen Tag der Pflege erzählt sie, warum sie diesen Beruf gewählt hat, warum sie in immer noch ausübt und was es Sie die Arbeit im Krankenhaus - nicht nur während einer Pandemie - ganz persönlich ausmacht.
Was hat Sie dazu bewogen, diesen Beruf zu ergreifen?
Ich bin seit über 15 Jahren Gesundheits- und Krankenpflegerin. Meine Intention für diesen Beruf war und ist immer noch, anderen Menschen zu helfen, ihr Leiden zu lindern und zu ihrer Genesung beizutragen. Der Kontakt mit vielen unterschiedlichen Personen, dass ich mich immer wieder auf Menschen einlassen kann und Vertrauen aufbauen muss, ist für mich eigentlich die Quintessenz des Jobs. Kein Tag ist wie der andere und kein Patient, kein Fall ist wie der andere, das macht den Beruf so abwechslungsreich.
Hat die Realität, die tatsächliche Arbeit am Patienten, Ihre Erwartungen erfüllt?
Als ich 2005 die Ausbildung begonnen habe, stand das Helfen für mich im Vordergrund. Das persönliche Spektrum dieses Berufs habe ich erst über den Lauf der Jahre kennengelernt. Das eine ist der Umgang mit den Menschen, das andere ist das stetige fachliche Weiterentwickeln und die Eigenverantwortlichkeit in der Pflege. Das selbständige Arbeiten mit PatientInnen, Entscheidungen treffen, sich im Team unterstützen - diese Aspekte habe ich zu Beginn so nicht erwartet, aber sie sind der Grund, weshalb ich diesen Job auch nach über 15 Jahren weiterhin so gerne mache.
Waren Sie mit Ihren Arbeitsbedingungen, vor allem auch von der Personalausstattung hergesehen, vor Beginn der Pandemie zufrieden?
Es ist kein Geheimnis, dass insgesamt in der Pflege ein Personalmangel herrscht. Die Pandemie hat das nochmal mehr offengelegt und in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Ich bin vor einigen Jahren wieder zur Pflege zurückgekehrt, weil es für mich neben der fachlichen Arbeit ein unglaublich flexibler Beruf ist, vor allem im Hinblick auf Teilzeitarbeit und Familienfreundlichkeit. Diese Solidarität im Team des Krankenhauses – von den Ärzten bis zur Reinigungskraft – finde ich toll. Wir ziehen alle am selben Strang und wollen das Beste für unsere Patienten.
Welchen Eindruck hatten Sie von der öffentlichen Wahrnehmung Ihres Berufs bis vor einem Jahr?
Der Respekt für meinen Beruf war im persönlichen Umfeld schon immer vorhanden, aber die Wichtigkeit der Pflege für die gesamte Gesellschaft war lange nicht so präsent in der Öffentlichkeit. Durch die Pandemie wird wieder viel mehr über den Pflegefachberuf und seine Notwendigkeit diskutiert und debattiert. Das ist gut so, denn nur so kann sich langfristig etwas ändern.
Wie sehr hat die Coronavirus-Pandemie ihre Tätigkeit verändert?
Wir waren plötzlich sehr viel mehr als sonst mit der Einsamkeit der PatientInnen konfrontiert. Das war auch für uns als Pflegekräfte sehr emotional. Wir ersetzen ja teilweise die Angehörigen, wir sind der seelische Beistand und spenden Trost. Das hat uns alle sehr viel näher an die Patienten rücken lassen, obwohl wir ihnen gegenüber durch die Pandemie ja körperlich viel mehr Distanz aufbringen mussten. Als Team schweißt uns die Pandemie-Zeit gerade aber nochmal viel mehr zusammen. Wir sind noch stärker im Austausch, geben uns Halt und sind Stolz, dass wir diese turbulente Zeit zusammen meistern.
Die Pandemie hat viele Defizite in allen Bereichen des Lebens aufgedeckt. Wo sehen Sie die größten Probleme in Ihrem Beruf?
Das größte Problem ist für mich, der Fachpersonalmangel und dass sich zu wenige für diesen Beruf entscheiden. Als ich mit meiner Ausbildung angefangen habe und danach, gab es viel zu wenig Stellen und ich war dann froh, wieder an das Kreiskrankenhaus Bergstraße zurück kehren zu können. Da müssen wir wieder hinkommen, dass die Menschen Lust auf den Pflegeberuf haben und nicht nur negatives darüber hören
In den vergangenen Monaten haben die Mitarbeiter im Gesundheitsbereich viel Aufmerksamkeit und Anerkennung aufgrund Ihres großen Einsatzes erhalten. Wie schätzen Sie dies nach über einem Jahr Pandemie nun ein?
Es ist gut, dass der Pflegeberuf so in die Öffentlichkeit gerückt ist. Ich würde mir von der Politik jedoch mehr konkrete Lösungsansätze wünschen. Der Pflegebonus macht nichts wett, wenn weiterhin Fachpersonal fehlt. Mir fehlen kreative Ideen, um Nachwuchs anzulocken und Aussteiger wieder zurück zu holen. Die Aufmerksamkeit und Anerkennung haben wir nicht nur in Pandemie Zeiten nötig. Es gab schon vor der Pandemie einen Pflegenotstand, es gab ihn währenddessen und es wird ihn auch weiterhin geben, wenn Politik nichts maßgeblich ändert.
Wie würden Sie bei jungen Menschen, die vor der Berufswahl stehen, dafür werben, dass Sie trotz des herrschenden Pflegenotstandes diesen Beruf ergreifen sollten?
Ich würde nicht sagen trotz, sondern wegen des Pflegenotstandes sollten sich junge Menschen für diesen Beruf entscheiden! Dieser Job ist so viel mehr als „pflegen“, es gibt so viele Fachbereiche und Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen und eigenverantwortlich zu arbeiten. Jeder kann sich bei uns in den Teams individuell einbringen, seine Stärken ausbauen und seinen Interessen nachgehen. Auch für junge Menschen mit späterer Familienplanung ist dieser Beruf nicht so unattraktiv wie sein Ruf. Ich arbeite selbst in Teilzeit und wir nehmen hier im Kreiskrankenhaus Rücksicht auf das private Umfeld eines Jeden, zum Beispiel, wenn es um die individuelle Dienstplangestaltung geht.
Welchen Appell möchten Sie angesichts der aktuellen Entwicklung an die Bürger richten?
Ich möchte etwas Positives nach außen tragen: Für mich gibt es nichts schöneres, als nach Hause zu kommen und zu wissen, dass ich Menschen gut versorgen konnte, Probleme erkannt und im besten Fall Lösungen gefunden habe. Das macht für mich der Job als Pflegekraft aus. Wir alle sind wahrscheinlich irgendwann einmal auf Pflege angewiesen, daher sollten wir weiterhin in Politik und Gesellschaft das Thema hochhalten, damit wir mehr werden und man wieder sieht, welche Freude dieser Beruf machen kann.
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