Sport mit neuer Hüfte
Aktuelles und Pressemitteilungen | 25.03.2025
HEPPENHEIM. Mehr Lebensqualität durch schmerzfreie Beweglichkeit lautet das Versprechen moderner Endoprothesen. Gemeint sind damit vor allem neue Knie- und Hüftgelenke aber auch Schulter- und Sprunggelenke können ersetzt werden. Im EndoProthetikZentrum am Kreiskrankenhaus Bergstraße in Heppenheim werden im Jahr rund 400 solcher Eingriffe vorgenommen. Leiter des Zentrums ist Dr. med Thorsten Schache, dem vier weitere Operateure zur Seite stehen.
„Am häufigsten werden Knie und Hüfte ersetzt. Schultergelenke kommen erst an dritter Stelle“, sagt Schache. Letztere werden erst seit knapp 30 Jahren ersetzt; insgesamt habe sich die Qualität der Prothesen stark verbessert, da neue Materialien zum Einsatz kommen.
„Früher wurde für die Gleitpaarung ein Edelstahlkopf und eine Plastikpfanne im künstlichen Gelenk verwendet. Heute sind beide Teile oft aus Keramik“, erläutert der Arzt. Dadurch verringere sich der Abrieb im Gelenk.
Die Lebensdauer solcher Endoprothesen gibt Schache mit 15 bis 20 Jahren an - danach müssten sie ersetzt werden. „Das bedeutet nicht, dass sie nach 15 Jahren nicht mehr funktionieren, aber Beschwerden könnten zunehmen.“ Während sich die meisten Gelenkprothesen inzwischen gut erneuern lassen, besteht beim Sprunggelenk eine Ausnahme: „Sprunggelenke halten mit zehn bis 15 Jahren am kürzesten und es gibt keine Wechselprothesen - man kann es nur einmal einsetzen, danach muss das Gelenk versteift werden.“ Der untere, im Knochen verankerte Teil der Prothesen besteht inzwischen größtenteils aus Titan: „85 Prozent der Prothesen werden vom Operateur im Knochen zementfrei verankert. Damit sind sie schon am Tag der OP voll belastbar“, erläutert Schache. Auch bei älteren Menschen seien damit keine langen Stationsaufenthalte mehr nötig. Früher habe es immer wieder Begleitkomplikationen gegeben, wenn die Patienten lange Zeit im Bett liegen mussten. „Heute sollen sie schon nach wenigen Stunden ein paar Schritte gehen und können nach wenigen Tagen schon wieder Treppen steigen.“ Auch die Reha dauere nur drei bis vier Wochen und könne ambulant durchgeführt werden.
Was das Thema Sport mit künstlichen Gelenken angeht, sticht die Hüfte hervor: „Wenn Sie vorher Skifahren konnten, dann können Sie es dann auch wieder“, sagt Schache. Kniegelenke seien hingegen etwas eingeschränkter wegen ihrer Bauweise. Dennoch: „Im Doppel kann dann auch wieder Tennis gespielt werden.“ Im Doppel deshalb, weil so das belastende, schnelle Abstoppen verhindert werde. Generell könnten nach sechs Monaten fast alle Sportarten wieder betrieben werden. „Ich hatte schon einen 50-jährigen Fußballer, der nach vier Wochen schon wieder mit dem Moped vorgefahren kam“, erinnert sich Schache.
Nach 20 bis 25 Jahren steht indes eine Wechsel-OP an, da sich die Prothesen lockern. „Früher wurden die Endoprothesen mit Knochenzement verbaut. Der fließt in die Knochenstruktur hinein, die dann beim Wechsel verloren geht. Daher werden inzwischen beim Wechsel zementfreie Titanprothesen eingeklemmt, um die sich neuer Knochen bilden kann.“
Wann der richtige Zeitpunkt für eine Endoprothese gekommen ist, hängt vom Patienten ab: „Das entscheidende Kriterium ist die eingeschränkte Lebensqualität. Wenn der Patient sagt: ,Egal, was passiert, so kann es nicht bleiben’.“ Objektive Kriterien werden im Vorgespräch abgefragt. Ältere Menschen müssten auch bedenken, dass sie mit zunehmendem Alter eine OP schlechter wegstecken.
„Oft werde ich auch gefragt: ,Lohnt sich so eine OP mit 85 Jahren noch?’ Bei Jemandem, der mit Hüftarthrose im Rollstuhl sitzt, da tue ich mich schwer. Aber bei Jemandem, der alleine lebt, den Garten macht und sich selbst versorgt, ist das eine andere Situation. Es ist schön, diesen Menschen helfen zu können.“
Thorsten Schache hat früher selbst Leistungssport betrieben, war Moderner Fünfkämpfer, hat Medizin studiert, weil er es nach einem schlimmen Erlebnis mit einer Mandel-Operation in der Jugend später selbst besser machen wollte. Zunächst betreute er Sportler, ging dann in die Endoprothetik: „Ich wollte Menschen Lebensqualität geben, anstatt Leistungssportlern das Fenster für Höchstleistungen zu erweitern.“
Wichtig ist ihm auch die Vorsorge, damit es gar nicht erst zu einer OP kommen muss: Seit es Reihenuntersuchungen für Babys gibt, sei die Zahl der Hüftarthrosen zurückgegangen. „Angeborene Fehlstellungen lassen sich mittlerweile konservativ gut behandeln.“
Auch Missbildungen durch Mangelernährung gehörten eigentlich der Vergangenheit an. „Allerdings haben wir im Rahmen der Flüchtlingswelle ganz viele Hüftdysplasien und durch Rachitis veränderte Knochenstrukturen gesehen“, erläutert Schache. Menschen aus Krisengebieten kämen auch immer wieder mit alten Schussverletzungen zu ihm.
Zudem sollten Sportverletzungen immer auskuriert werden, um Spätfolgen zu verhindern. Falscher Ehrgeiz sei hier fehl am Platz. Insbesondere Fuß- und Handball zählten zu den sehr Gelenk belastenden Sportarten.
Wenn es aber dann soweit ist, dass ein Gelenk ersetzt wird, müsse der Patient verstehen, dass er selbst auch mithelfen muss. „Er muss aktiv sein in der Reha und sich bewegen“, sagt Schache. Bereits in Vorgesprächen würden auch Erkrankungen wie Adipositas, Anämie, chronische Infektionen oder auch Depressionen thematisiert.
von Thomas Riedel
Der Artikel erschien zuerst im Echo.
